Das Siegerland weckt auf vielen Streckenabschnitten den Eindruck in uns, wir befänden uns im Allgäu. Auch dass wir viele Tiere auf weitläufigen Landflächen erleben dürfen, unterstützt diese Sinnestäuschung. Damit verbunden stellen wir fest: Es wird hügeliger, sodass wir einige Abschnitte wieder schiebend bewältigen. Doch wir fühlen uns wohl, erfreuen uns an dieser teils grandiosen Landschaft und können es kaum glauben, dass wir noch immer jeden Tag in der Sonne fahren dürfen. Während der nächsten zwei Tage wird uns dazu noch das Flüsschen Sieg mehr oder weniger ständig begleiten. 

Ob uns das gefällt? Ja, und wie!

 

 

Aufgrund eines Problems mit unserer Radschaltung hatten wir die Stadt Siegen angesteuert und ihr schließlich einen Extrabeitrag gewidmet (Blogeintrag 53). Wir durften bei Hans-Gerhard, den wir im Radladen „ExtraRad Siegen“ kennenlernten, im Gartenhaus übernachten. Er hat uns dann noch, nach einer wunderbaren Nacht im Freien, zum Frühstück eingeladen, mit Kaffee und frischen Brötchen. Dazu gab es viele super Tipps für die weitere Strecke. 

Wir sagen euch: Wir sind sowas von gut gelaunt gestartet. Bedanken uns bei Hans-Gerhard für diese unerwartete Unterstützung und machen uns auf in Richtung Talsperre Obernau. 

Wir durchqueren das Rothaargebirge, welches es auf bis knapp 850 Höhenmeter bringt. Doch wir müssen nicht ganz hinauf. Was uns auffällt, sind einige völlig kahle Steilhänge. Bei einer Pause sprechen wir Einheimische darauf an, die sehr unglücklich mit der Situation sind. Der Borkenkäfer schlägt wohl immens zu in dieser Region. Früher habe es viele Buchenwälder hier gegeben, doch diese seien zugunsten von Wirtschaftswald mit schnellwachsenden Fichten gefällt worden. Ja – und heute hätten sie diese Plage mit den Käfern. 

Wir können das natürlich nicht beurteilen, doch die Landschaft wird immer wieder durch völlig kahle Stellen unterbrochen. Schade.

Plötzlich öffnet sich die Landschaft , und wir stehen vor dem Obernaustausee. Er dient der Trinkwasserversorgung naher Ortschaften und dem Hochwasserschutz. Ein unglaublich schönes Fleckchen Erde ist das hier. Einmal außen rum sind es wohl gut zehn Kilometer. Doch wegen der Trinkwasserfunktion darf man nicht hinein. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb strahlt diese Region eine besondere, einladende Ruhe aus.

Am Stausee lernen wir Karl-Georg kennen. Er ist zu Fuß unterwegs und spricht uns an. Tja, Landschaft, gute Laune und die Sonne - wir verquatschen uns, erzählen von der Tour. Dann fragt er uns, wohin der heutige Weg noch führt. Über das Forsthaus nach Bad Berleburg, antworten wir, und sind nicht schlecht überrascht, als er uns mitteilt, dass dies auch sein Ziel ist. Hey – das sind 25 Kilometer, und er ist zu Fuß unterwegs! Der Respekt, der uns gerade noch für unsere Tour gezollt wurde, den geben wir aber schnellstens zurück. Wir verabreden uns am Forsthaus, checken gemeinsam noch die Strecke, und husch - weg ist er. „Wir sehen uns oben“, ruft er beim Weggehen.

Nun: Auch für uns steht kurze Zeit später das Gehen beziehungsweise das Schieben an. Es ist einfach zu steil. Und schon klingelt das Telefon - Karl-Georg berichtet, er sei oben. Hä? Er ist doch noch gar nicht richtig weg - sauschnell sagt man dazu bei uns in der Heimat. Doch er kommt uns nochmal entgegen, damit wir den Abzweig nicht verpassen. Wo schlaft ihr heute eigentlich? Keine Ahnung, antworten wir, wie meistens um diese Uhrzeit wissen wir das tatsächlich noch nicht. So bietet er uns an, bei ihm zu übernachten.

Oben dann fragen wir, ob wir nicht gemeinsam ein Vesper einnehmen wollen. Karl-Georg hat seine jedoch liegen lassen. Nun, da wir uns gerade erst frisch mit Proviant versorgt und deshalb eh genug dabei haben, teilen wir mit ihm. Das ist nicht nur selbstverständlich, es bereitet uns auch Freude. Wir reden, lachen, essen und lernen uns kennen. Er ist oft hier oben und deutet nach hinten. Ihr habt Glück, heute sind die Hirsche mit ihren Kühen da. Kaum ausgesprochen, ertönt das mächtige Röhren eines Hirsches. 

Wir brechen auf, und was macht Karl-Georg? Er reicht uns seinen Haustürschlüssel. Ihr seid jetzt eh schneller, dann könnt ihr schon mal rein. 

Wir sind, gelinde gesagt, sprachlos. Wir haben ja nun schon viel erlebt. Dass uns jedoch jemand, der uns letztlich gar nicht kennt, einfach so seinen Schlüssel gibt, dafür fehlen uns fast die Worte. Er sagt nur: „Ich spüre, dass es passt zwischen uns, und ich tue es gern.“

Wir packen den Schlüssel ein, machen uns auf den Weg. Werden getragen von einem Gefühl, welches wir nur ganz schwer beschreiben können. Gibt es wunderbare Menschen in unserem Deutschland? Ja, die gibt es. Von Herzen gute Menschen, und es sind nicht wenige.
 

Der weitere Weg führt nach unten, Richtung Bad Berleburg-Raumland zu Karl-Georg und Dagmar. Und ja, wir haben das Angebot der Übernachtung natürlich angenommen. Wollen noch Zeit verbringen mit diesen besonderen Menschen. Wir bekommen ein schönes Zimmer und jeder einen flauschigen Bademantel. 

Reinhard erinnert darin irgendwie an einen Druiden. Er spricht aber weder keltisch noch kann er einen Zaubertrank brauen…

Im Kamin brennt inzwischen ein schönes Feuerchen. Mollig warm ist das, und am Abend kommt Dagmar zu unserer Runde dazu. Wir sitzen bis spät in die Nacht. Erzählen, lachen viel, und es ist gerade so, als ob wir uns schon ewig kennen würden.

Beim Frühstück geht es dann gerade so weiter. Karl-Georg erzählt, er hatte Nierenkrebs und einen Tumor im Bauch. „Ich wäre beinahe gegangen“, sagt er, „doch irgendwer war der Meinung, für mich wäre noch Zeit.“ Er glaube an Gott, und das gebe ihm sehr viel Kraft und Zufriedenheit. Wir machen uns auf den Weg und nehmen aus den Gesprächen mit Karl-Georg und Dagmar einiges mit in unserem Gepäck. Doch unser Gepäck wird dadurch nicht schwerer…

Zum Abschluss möchten wir gern das Bild, welches diese Begegnung geprägt hat, mit euch teilen.

 

Als Abschluss möchten wir gerne das Bild, welches diesen Tag so sehr für uns geprägt hat, mit euch teilen.

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